Silvia Breher (CDU/CSU):
Guten Morgen, Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Diese Vereinbarte Debatte rund um den Weltfrauentag bedeutet aber auch, jedes Jahr wieder auf all die Herausforderungen und auf all die Schicksale von Frauen in der Welt hinzuweisen. Man könnte ja meinen: Ist denn mal irgendein Thema abgeräumt? Nein, das ist es eben nicht!
Wenn ich nachlese, worüber wir gerade vor einem Jahr in so vielen Reden insbesondere gesprochen haben, dann stelle ich fest: Das waren die Frauen in Afghanistan und die Frauen im Iran. Darüber spricht heute leider niemand mehr, auch die Öffentlichkeit so gut wie selten. Es ist so normal im Verlauf der Geschichte: Dinge sind kurz katastrophal, und dann kommt das nächste große Drama. Aber all die großen Themen, die bleiben, müssen wir im Blick behalten und jedes Jahr wieder über all die Herausforderungen für Frauen hier bei uns und in der Welt debattieren.
Stichwort „hier bei uns“. Ich habe mal Google gefragt und „Weltfrauentag“ eingegeben. Der Toptreffer ist „Feiertag in Berlin“; da war ich schon dankbar, dass es nicht „Geschenke und Blumen“ war. Es kommen natürlich auch noch andere Begriffe wie „Equal Pay Day“, „Partnerschaftsgewalt“, „Gleichstellung der Geschlechter“, „Chancengleichheit“, „Frauenrechte sind Menschenrechte“ – all das, was wir schon gehört haben und heute noch öfter hören werden. Nicht vor kommt allerdings „starke Frauen“. Frau Deligöz, ich glaube, diese Unterscheidung brauchen wir nicht mehr: Frauen sind stark, und zwar alle.
Welcher Begriff in dieser Aufzählung aber völlig fehlt, ist Männer bzw. Väter. Die Durchsetzung der Gleichstellung, der Gleichberechtigung der Geschlechter – darum geht es am Weltfrauentag – liegt vor allem auch im Interesse der Männer; denn sie profitieren davon mindestens genauso wie die Frauen. 86 Prozent der Väter mit Kindern im Vorschulalter finden, in Unternehmen sollte es für Väter genauso akzeptiert sein wie für Mütter, für Carearbeit ihre Erwerbsarbeit, zu reduzieren. Aber das Rollenbild ist nach wie vor ein völlig anderes. Männer werden vor allen Dingen an ihrer beruflichen Position gemessen, alles andere wird ihnen als Schwäche ausgelegt.
Wenn wir aber jedes Jahr über den Equal Pay Day sprechen, wenn wir jedes Jahr den Gender-Care-Gap, die Mehrarbeit für Frauen, aufzeigen und gleichzeitig jede zweite Frau in Deutschland nur einer Teilzeitbeschäftigung nachgehen kann, während jedes Unternehmen händeringend Fachkräfte sucht, dann dürfen wir bei der Frage der Vereinbarkeit von Familie und Beruf nicht immer nur die Vereinbarkeit für die Mütter im Blick haben, dann müssen wir auch die Väter mitdenken.
Dafür brauchen wir neue Debatten, neue Angebote der Unternehmen, aber auch neue politische Lösungen.
Wir brauchen Angebote an Eltern, an beide Elternteile, für eine gerechtere Verteilung der Erwerbs- und Sorgearbeit, und das nicht nur in den ersten zwei Wochen nach der Geburt und nicht nur im ersten Jahr nach der Geburt.
Wir brauchen flexible Arbeitszeitmodelle, aber auch Konzepte, die den gesamten Lebenslauf von Familien in den Blick nehmen, und zwar nicht ideologisch – so oder so -, sondern flexibel und dynamisch nach dem Wunsch und nach den Bedürfnissen der Familien.
Die Ministerin ist ja durch die Verschiebung dieser Debatte auf diese Sitzungswoche heute entschuldigt; aber ich habe mal in der Rede der Ministerin zum Weltfrauentag des letzten Jahres nachgesehen. Sie hat gesagt:
„Wenn alle Frauen mit Kindern unter sechs Jahren so viel arbeiten könnten, wie sie wollen, dann hätten wir auf einen Schlag 840 000 Arbeitskräfte mehr.“
Und dann hat die Ministerin aufgezählt, welche Maßnahmen dafür nötig sind. Genau diese Maßnahmen hat die Kollegin Lang gerade auch wiederholt. Ich zähle jetzt mal die Maßnahmen auf und mache einen an Haken dran, wenn wir etwas erreicht haben:
Wir investieren in die Betreuungsinfrastruktur Kita. – Stimmt nicht, kein einziges Investitionsprogramm.
Wir investieren in die Qualität der Kitas. – Jede Menge Bundesprogramme sind gestoppt worden: „Sprach-Kitas“, Fachkräfteoffensive „Kita-Einstieg“.
Das Gute-KiTa-Gesetz ist zu einem KiTa-Qualitätsgesetz weiterentwickelt worden; aber ob es 2025 und 2026 das Geld dafür noch gibt, ist fraglich.
Die Elternstartzeit liegt nicht vor.
Sie wollten das Entgelttransparenzgesetz verbessern – das ist heute mehrfach gefallen -: Liegt nicht vor.
Wagniskapital für Gründerinnen. – Haben wir nicht.
Den Gleichstellungscheck für alle Gesetze. – Haben wir nicht.
All das sind Maßnahmen, die die Ministerin im vergangenen Jahr angekündigt hat. Unterm Strich steht leider nichts. Die Bilanz des Bundesfamilienministeriums des vergangenen Jahres, gemessen an der Rede der Ministerin, ist: nothing, gar nichts, null. Sie sind nicht einen Millimeter weitergekommen.
Dass das das Ergebnis Ihrer Koalition ist, von der wir so viel mehr erwartet hätten, ist total enttäuschend.
Es herrscht gleichstellungspolitischer Stillstand im Bundesfamilienministerium. Und das ist für mich die eigentliche Botschaft des heutigen Tages. Es ist einfach traurig.
Vielen Dank.
Foto: Deutscher Bundestag