Rede im Deutschen Bundestag zum Verbot des Kükentötens
Die Rede im Deutschen Bundestag wurde zu Protokoll gegeben.
Sehr geehrter Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
sehr geehrte Damen und Herren,
wir beenden das Töten der Eintagsküken in Deutschland. Das ist ein herausragender Erfolg für das Tierwohl. Dass wir das überhaupt können, ist der Wissenschaft und der Geflügelbranche zu verdanken. Sie arbeiten seit Jahren unter Hochdruck an diesem Schritt. Erst durch ihr Engagement ist es möglich, denn sie haben Technologien zur Geschlechtsbestimmung im Ei entwickelt.
Gleichzeitig möchte ich unserer Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner danken. Denn ihr Haus hat das unterstützt und Mittel in Höhe von über acht Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Deswegen können wir das Kükentöten zum 1. Januar 2022 beenden. Das ist Schritt eins.
Zwei weitere Jahre später, also zum 1. Januar 2024, folgt der zweite Schritt: Das Töten von Hühnerembryonen im Ei nach dem sechsten Bebrütungstag wird verboten. In diesem zweiten Schritt besteht die große Herausforderung. Denn derzeit ist ein solches Verfahren der In-Ovo-Geschlechterbestimmung, also der Geschlechtsbestimmung im Ei, nicht praxisreif und kann deshalb auch noch nicht flächendeckend eingesetzt werden. Zum heutigen Zeitpunkt kann noch niemand abschließend sagen, dass diese Herausforderung wirklich gelingen wird. Es ist ambitioniert, aber es gibt bereits Verfahren. Und die Fortschritte lassen darauf schließen, dass das Ziel auch rechtzeitig erreicht wird. Vor dem Hintergrund dieser Problematik haben wir in den parlamentarischen Beratungen eine Berichtspflicht in den Gesetzentwurf aufgenommen. Die Bundesregierung muss bis März 2023 dem zuständigen Ausschuss des Deutschen Bundestages über den Stand der neuen Verfahren für die Geschlechtsbestimmung im Ei bis zum sechsten Bebrütungstag Auskunft geben.
In diesem Zusammenhang möchte ich klarstellen, dass nach gegenwärtigem Stand wissenschaftlicher Erkenntnisse vor dem siebten Bebrütungstag definitiv kein Schmerzempfinden vorhanden ist. Das ist wissenschaftlicher Konsens und der ist Grundlage für die Festlegung des Zeitpunktes.
Wir beenden die gängige Praxis, männliche Küken kurz nach dem Schlüpfen zu töten, weil ihre Aufzucht wirtschaftlich unrentabel ist. Gegenwärtig finden die pro Jahr etwa 45 Millionen in Deutschland anfallenden männlichen Eintagsküken noch als Tierfutter eine zweckmäßige Verwendung. Sie werden nicht vernichtet. Sie dienen damit anderen Tieren als Futter – in zooglogischen Gärten, Tierparks, Wildtierauffang- und -pflegestationen, Tierheimen und in Privathaltungen. Deshalb haben wir in den parlamentarischen Beratungen die Frage von Ausnahmegenehmigungen für das Töten von Eintagsküken intensiv diskutiert.
Aber zu befürchten ist, dass eine grundsätzliche Verwendung von Futterküken den Ausstieg unterlaufen würde. Denn schon heute werden alle in Deutschland anfallenden männlichen Eintagsküken verfüttert. Wir haben verschiedene Möglichkeiten diskutiert und geprüft. Aber Einschränkungen nur für deutsche Abnehmer, die Eintagsküken nicht durch andere Futtertiere substituieren können, sind mit dem europäischen Binnenmarkt nicht vereinbar. Und auch in der öffentlichen Anhörung zu dem Gesetz am 3. Mai 2021 haben die eingeladenen Sachverständigen unterschiedliche Meinungen zum Thema Futterküken vertreten. Aber sicher ist, dass der Bedarf an Küken zur Verfütterung auch aus anderen Quellen gedeckt werden kann – Küken als Futtertiere sind nicht alternativlos.
Wir gehen in Deutschland voraus, aber wir müssen auch auf europäischer Ebene zu einem einheitlichen Vorgehen kommen. Wir benötigen dringend ein EU-weites Verbot des Kükentötens. Das Engagement unserer einheimischen Geflügelwirtschaft darf nicht dazu führen, dass stattdessen Küken und Eier aus anderen Ländern importiert werden. Jede Verbraucherin und jeder Verbraucher muss klar erkennen können, unter welchen Bedingungen ein tierisches Lebensmittel hergestellt wurde. Die europäische Eierkennzeichnung muss deshalb auf verarbeitete Produkte ausgeweitet werden. Es geht um Klarheit und Wahrheit. Das darf nicht nur für das frische Ei in der Sechser- oder Zehner-Packung gelten, sondern auch für verarbeitete Produkte. Mehr Transparenz ist das Ziel, davon profitieren Verbraucher und die Tiere!
Sehr geehrte Damen und Herren, es ist den großartigen Fortschritten von Wissenschaft und Wirtschaft zu verdanken, dass wir diesen Schritt gehen können. Lassen Sie uns gemeinsam den Weg gehen und das Kükentöten beenden. Jetzt!
Sowohl der Gesetzentwurf der Bundesregierung als auch der Änderungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD sind schlüssig.
Deshalb bitte ich um Ihre Zustimmung.
Vielen Dank.